Warum Gedichte?
Gedichte lesen? Ja – warum, warum?
Schon nach der zweiten Zeile brummt der Brägen
und bei der dritten zückt man seinen Degen,
erdolcht den Dichter, denn der Knilch wirkt dumm.
Doch wart einmal. Wie wär’s, wenn ich so frag:
Warum prosaisch
protzen mit Gedanken?
Ein Krampf ist’s nur, es weist uns doch in
Schranken,
was ungereimt, ja unversiert ich sag.
Wohnt nicht im Spiel ein Gott, ein heil’ger Geist?
Ist uns’re Heimat nicht das freie Dichten?
Wer sie verlässt, er schleppt sich mit Gewichten,
er grämt sich früh, wirkt
grantig, er vergreist.
Magst Du sie hör’n, die krönende Sentenz?
Ach, nur der Dichter weilt im ew’gen Lenz!
Johann Heinrich Wilhelm Tischbein: Goethe in der Campagna, 1787 |
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