Sonntag, 6. Oktober 2019

Der Frühling zwitschert sich durch das Gedränge



Der Frühling zwitschert sich durch das Gedränge

Wie lustig ist’s, im Freien zu spazieren!
Der Frühling zwitschert sich durch die Alleen;
verzückt darf ich in grünem Kleide gehen,
wo sich im Grünen Freunde amüsieren.
Wie lästig, bei der Ampel zu verschmachten!
Matronen zwängen sich durch das Gedränge;
erstickt soll ich verrotten in der Enge,
wo sich Rivalen stolz bei Rot verachten.
Doch wart – wer zwingt mich eigentlich zum Stehen?
Seit wann bin ich nicht Ich, mein eigner Herr?
Gehorcht ein Mann der Zeit und ihren Dieben,
dann kann er warten, kann er Däumchen drehen.
Drum auf! Befrei dich stracks aus dem Gezerr!
Schreit jemand Stopp? Schreit jemand Stehngeblieben?

                                                            Rolf-Peter Wille
                                                                    (2009)
      

Ernst Ludwig Kirchner: Straßenszene, 1925


Anmerkung: aus meinem Rhetorikum Grüne Figur bei Rot. Mein Sonett ist eine Variation des Satzes "Ich trug ein grünes Hemd und ging bei Rot über die Straße".
                                                                     







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