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Dienstag, 8. Oktober 2019

Bei unsern Adolf wär das nich passiert!




  Bei unsern Adolf wär das nich passiert!
                          (eine Parodie)

Was läuftn bloß für lächerliche Typen
hier rum mit grünes Zeuch und graue Haaren!
Man sollte die verhaften! Die Polypen
sind auch nich mehr, was die mal früher waren!
Na ja…, das ham wer uns doch gleich jedacht:
Die Ampel rot – der Lump latscht einfach weiter.
Wenn jetz ‘n Auto kommt, dann hats jekracht,
dann liegter da, na das wär wirklich heiter!
So sind se alle jetz bei uns ins Lande:
Die randaliern und hörn sich blöde Schlarer.
Was sollste machen mit die ganze Bande?
Warum steckt man die nicht im Arbeitslarer?
Dies Trottelvolk! Die hames nie kapiert:
Bei unsern Adolf wär das nich passiert!

                                               Rolf-Peter Wille 
                                                      (2009)

        




                   Anmerkung: aus meinem Rhetorikum Grüne Figur bei Rot. Mein Sonett ist eine Variation des Satzes "Ich trug ein grünes Hemd und ging bei Rot über die Straße" und ein Beispiel für abgenutzte Redensart, Jargon, Plattitüde, falsche Grammatik, etc.










Montag, 7. Oktober 2019

Dein Mund ist meine Sonne




             Dein Mund ist meine Sonne


Dein Mund ist meine Sonne und mein All
besonders..., ja besonders wenn er schweigt.
Ach, wenn des nachts der leise Mond sich zeigt,
bringt ihn Dein Sonnenmund gewiss zu Fall!

Dir scheint der Mond ein eitel Käseball
kein edler Stern, der ewig fällt und steigt.
Selbst wenn ein Gott sich stumm vor ihm verneigt,
Nur Wort ist er für Dich, nur leerer Schall.

Doch schweigt Dein Mund, mag ich ihn zärtlich küssen,
Verspritzt er sonst auch giftig Ironie.
Wenn Du ihn unterbrichst, den Redeschwall,

Dann scheint er als mein Mond der Phantasie.
Oh darum lieb’ ich Deinen Mund, den süßen.
Er ist für mich das ganze Weltenall.


                                                              Rolf-Peter Wille
                                                             (2002, rev. 2019)


                                    
          
            aus der  Nürnberger Chronik von 1493













Dein Spiegelbild in meinen Schuhen


   

                    Dein Spiegelbild in meinen Schuhen



Geliebtes Kind, mein kleiner Schuheputzer:
So hurtig hast Du eifrig stets gedienert!
Wie reizend hat Dein Lappen sie gewienert,
Die eklen Stiefel dieser eitlen Stutzer!

Wie leicht fliegt Dir der Lappen, oh wie locker
Reibt Deine Hand die Schwärze auf den Schuh!
Und ich?  Ich schlummere in süßer Ruh’
Und döse sanft und dämlich auf dem Hocker.

Komm’ ich des abends, leicht beschwipst nach Haus’,
So zieh’ ich mir die schicken Schuhe aus,
Beschaue sie mir schmunzelnd unter’m Licht:

Wie hast Du mir die Stiefel stolz verziert!
Schwarz schimmert aus dem Schuh Dein Angesicht,
Sein Lächeln  ach, von Schuhcreme so verschmiert.



       Rolf-PeterWille
              (2002)




Vincent van Gogh: Ein Paar Schuhe, 1886





Sonntag, 6. Oktober 2019

Der Frühling zwitschert sich durch das Gedränge



Der Frühling zwitschert sich durch das Gedränge

Wie lustig ist’s, im Freien zu spazieren!
Der Frühling zwitschert sich durch die Alleen;
verzückt darf ich in grünem Kleide gehen,
wo sich im Grünen Freunde amüsieren.
Wie lästig, bei der Ampel zu verschmachten!
Matronen zwängen sich durch das Gedränge;
erstickt soll ich verrotten in der Enge,
wo sich Rivalen stolz bei Rot verachten.
Doch wart – wer zwingt mich eigentlich zum Stehen?
Seit wann bin ich nicht Ich, mein eigner Herr?
Gehorcht ein Mann der Zeit und ihren Dieben,
dann kann er warten, kann er Däumchen drehen.
Drum auf! Befrei dich stracks aus dem Gezerr!
Schreit jemand Stopp? Schreit jemand Stehngeblieben?

                                                            Rolf-Peter Wille
                                                                    (2009)
      

Ernst Ludwig Kirchner: Straßenszene, 1925


Anmerkung: aus meinem Rhetorikum Grüne Figur bei Rot. Mein Sonett ist eine Variation des Satzes "Ich trug ein grünes Hemd und ging bei Rot über die Straße".
                                                                     







Samstag, 5. Oktober 2019

Im Riesenrad




                     Im Riesenrad


Nein, rasen soll man nicht mit Riesenrädern!
Sie gleiten ja so lieblich durch die Luft.
Ins Weite schweb ich, leise, wie auf Federn –
tief unter mir entschwindet meine Gruft.

Schon liegt wie hingemalt die Metropole,
verlockt mich gar aus ihrer Glitzerferne.
Rasch, rasch, dass ich die Kamera mir hole,
denn solch ein Glanzmotiv das knips ich gerne!

Doch ach, wo steckt sie? Hab ich die vergessen?
Ich werd verrückt, ich alter Widerling!
Im Rucksack wühl ich lange wie besessen.
Da hab ich sie! Hier ist das Wunderding!

Jetzt schieß ich meine Bilder, all die bunten!
Doch leider..., schau, schon bin ich wieder unten.


                                                  Rolf-Peter Wille
                                                          (2020)




RPW im Miramar Riesenrad. Taipei, 2017






















Freitag, 4. Oktober 2019

Das Kakerlakenei




           Das Kakerlakenei


Im Zwielicht zuckt das zappelnde Insekt.
Wie ein Roboter schwenkt es die Antennen
Nach rechts, nach links, nach rechts.  Schon will es rennen
Im Zickzack:  So hat’s meine Hand geneckt.

Jedoch die Hand, die alte Spinne, fasst
Die Kakerlake.  In dem schwarzen Kerker
Schabt sie, knistert sie wie ein Berserker.
Ach, die Hand – befreit sich von der Last.

Ihr Ei, das wirft sie ab.  Jetzt kann sie laufen.
Nun, das ist schäbig, doch mir einerlei.
Dann darf sich meine Hand einmal verschnaufen

Von dieser eklen Schabenknisterei.
Du siehst:  Es läßt die Freiheit sich erkaufen
Mit einem einz’gen Kakerlakenei.


                                                Rolf-PeterWille
                                                         (2002)

                                
        

         Rolf-Peter Wille: The Mother of Roaches, 1994
 
                                     ___

                                        die kakerlake
                             kann meiner hand entkommen -
                                    ein ei bleibt zurück
                            ___






Donnerstag, 3. Oktober 2019

Kampf der Rüssel




                                     Kampf der Rüssel


Wie lieblich schmeckt das Blut der Elefanten!
Welch süßer Blütensaft für eine Mücke!
D’rum sticht sie mit der wohlbekannten Tücke
Sowohl die plumpen als auch die galanten.

Zwar schlägt der Elefant mit dem markanten,
Gewandten Nasenrüssel manche Lücke
Gewaltig in die Luft, daß es ihm glücke,
Den Mückenflug zu hemmen, den rasanten.

Doch leider muß ihm dieses meist mißlingen,
Denn Mücken sind ja oft im allgemeinen
Zu klein geraten, und vor allen Dingen:

Wie will ein solcher Kampf gerecht erscheinen?
Es kann kein Elefantenrüssel ringen
Mit einem Mückenrüssel, diesem feinen.


  
        Rolf-Peter Wille
                 (2002)

         
                                                                     

Rolf-Peter Wille: Cover-Design für Notenausgabe, 1995










Dienstag, 1. Oktober 2019

Mein Schiff



     Mein Schiff

                           Eine Kreuzfahrt



Willst’ in die Bar? Welch bieriges Gegröle!
Hinauf, mein Liebster, auf das Sonnendeck!
Schau, satter Leiber süßer Wonnespeck:
Wie lüstern sardiniert er sich im Öle!"

Oh Himmel, meine Liebste! Weg, nur weg!”
Ach bitte doch, erspar mir das Genöle!
Hinab in die Kajüte deine Höhle!
Da magst verrecken, Du, im eignen Dreck!”

Ahoi! Genießen wir der Kreuzfahrt Wonne,
heut in Sevilla, morgen Lissabonne!
Und wann zerschelln wir am Korallenriff?

I wo! Heut schmore ich in meiner Sonne
mit den Sardinen;  prost! Apéritif.
Wie lieb ich Dich, mein Charme, mein Schatz, mein Schiff!


                                                 Rolf-PeterWille
                                                          (2019)                
                          

                           Blick von Puente de Viscaya,
                        Bilbao, 2014 











Montag, 30. September 2019

Schleimcher! (Pompament und Schüttelett)




Schleimcher! (Pompament und Schüttelett)

                    (pompöses Lament, so nett geschüttelt)


Zeit hab’ ich nicht, um meinen Reim zu schlichten –
klingt er verstimmt? Ich darf nicht weilen, zagen.
Ich muss! Ich muss mit Mut die Zeilen wagen,
um eitles Selbst in seinem Schleim zu richten.

Wie oft wollt’ mein geschundenes Gewissen
sich unterwerfen, sich im Drange bücken,
in trüben Nächten heulen, bange drücken?!
 und feig hat’s nur Gewundenes geschissen…

Jetzt klebt sie an mir selbst, die Schmeichelspucke.
Verflucht! Werd’ ich mich wild im Jammer schlagen?
Werd’ ich noch Ehr’ in eklem Schlamm erjagen,
in dieser Schmier’, in diesem Speichelschmucke?

Heut will ich meine Qual ersticken.
Mich soll des Messers Stahl erquicken.


                                                              Rolf-Peter Wille
                                                                        (2009)
                         
                               


Béla Kondor: Bitterer Mann































Schleimereien am Klavier





                   Schleimereien am Klavier


Heut sitze ich mit Schnupfen auf der Bühne.
Die Finger gleiten auf der Tastatur
So sanft behende in Chopins Des Dur.
Da kitzelt mich der Schleim, der ekle grüne.

Schon spür ich Feuchtes aus der Nase sinken.
Nur Mut.  Ein Virtuose braucht Courage!
Ich klimpre, mano destra, die Passage
Und schneuze mich gar zierlich mit der Linken.

Ich spiele fort.  Jedoch die Finger ziehen
In leicht verwischte, schmierig eklatante
Und immer schlüpfrigere Harmonien.

So end ich meinen Vortrag höchst galante,
Gescheitert an des Schleimes Ironien,
Hatschi …  alla maniera dissonante.

             Rolf-Peter Wille
                        (2004)

                                                         

Wilhelm Busch: Passagio Chromatico aus Der Virtuos, 1865 




Freitag, 27. September 2019

Vorsicht — Minotaurus!



  Vorsicht  Minotaurus! Bitte nicht lesen!


Verwirrt bist Du, verirrt im Labyrinth 

Des Schreckens, der Verzerrung: Welch ein Wesen 
Zieht sich schleppend durch die Verse? Lesen 
Läßt’s sich weder langsam noch geschwind. 

Ach, sei gewarnt, geneigter Leser: Hier 

In dem Gedichte haust ein alter Saurus; 
Ein Sohn des Minos, das Gesicht vom Taurus, 
Ist er halb Mensch, zur Hälfte auch ein Stier. 

Gleich hat er Dich! Gleich hat er Dich im Nacken! 

Gleich werden Dich die scharfen Hörner packen, 
Und Du wirst niemals das Dilemma lösen: 

Willst Du dies’ dämliche Gedicht denn lesen? 

Jetzt hilft Dir nichts, selbst wenn ich Dich noch rette: 
Du liest es hier – das Ende vom Sonette. 

                      

                                                          Rolf-Peter Wille
                                                                 (2002)


   
                    (Theseus und der Minotaurus)