Sonntag, 6. Oktober 2019

Find ich dich wieder wohl im Frühlingswinde?




Find ich dich wieder wohl im Frühlingswinde?

Find ich dich wieder wohl im Frühlingswinde?
So weht er nicht, wie du, so sanft und Seide!
Such ich dein Süß in einer Sommerlinde?
Strahlt mir dein Grün aus ihrem Blätterkleide?
Soll ich den Schimmer deiner Rosenlippen,
Soll ich ihr Rot im Rosa denn besingen,
Vom Wonnemund und seinem Wein zu nippen,
die Würze kühn in schale Jamben zwingen?
Ich darf es nicht! Beschämt steh ich als Dichter,
Wo meine Kunst versagt vor solchen Reizen,
Und ich gesteh: Es sind nur Hohngesichter,
Die sich im Lied von meiner Ohnmacht spreizen.
Wie ich es dreh’, es soll mir nicht gelingen.
Darum, mein Lieb, darf ich nicht weitersingen.


                                                    Rolf-Peter Wille
                                                            (2014)
    

Darstellung höfischer Liebe auf einer Goldtruhe

Anmerkung: aus meinem Rhetorikum Grüne Figur bei Rot; mein "Liebes-Sonett" ist eine Variation des Satzes "Ich trug ein grünes Hemd und ging bei Rot über die Straße" und parodiert gleichzeitig Shakespeares Sonett 18“Shall I compare thee to a summer’s day?" [“Soll ich dich einem Sommertag vergleichen? / Er ist wie du so lieblich nicht und lind; / Nach kurzer Dauer muß sein Glanz verbleichen, / Und selbst in Maienknospen tobt der Wind.”]                                               








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