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Sonntag, 29. September 2019

Stets mit List, Alchemist!




         Stets mit List, Alchemist!
               
                                (giftig geschüttelt)


Suchst du die Lurche für den Gammelsaft,
die Unken gar, und gift'ge Schnabelnattern?
O lausche, wer da beim Gesammel gafft,
denn Geister gibt's, die mit dem Nabel schnattern!

Rasch kommen sie geweht  wie Leichen weiß.
Sie wispern. Wer mag das Palaver deuten?
Schon schwindet dieser Spuk, sie weichen leis
und nichts verbleibt von den Kadaverleuten.

Nun flüstere, mit Poesie vermengt,
lass dich umflimmern von der Funkeneule!
Sei listig, Schatz, denn Alchemie versengt
und lecket dich wie schwarze Unkenfäule!

Was schwörst du jetzt auf deine Warzenpille?
Wenn du verreckst, so war's der Parzen Wille!


                                                          Rolf-Peter Wille
                                                         (2005, rev. 2019)

                                  

Pieter Brueghel: Der Alchemist, ~1558













Tag zwei




Tag zwei


Es fragt sich eine Eintagsfliege
und reibt ihr Äugelein,
ob sie im Bett noch länger liege.
Flieg in die Welt hinein!

Ihr träumte, dass der Sonnenschein
sie fein durchstrahlet hätte
wie einen Diamantenstein...;
– da wacht sie auf im Bette.

Ein Blick zur Uhr nanu, schon acht?
Jetzt putzt sie ihre Brille:
Es dunkelt eine tiefe Nacht
aus rabenschwarzer Stille.

Doch da entringt sich ihr ein Schrei:
Es ist nicht Nacht! Es ist Tag zwei



Rolf-Peter Wille
(2015, sonettiert 2019)



Eintagsfliege in Bernstein

___

die Eintagsfliege
erwacht in der Dunkelheit -
Tag zwei

       ___



            Melodrama version (2015):
      
      




Teuflische Einflüsterung




        Teuflische Einflüsterung

                      (satanisch geschüttelt)


Was liest du den Aristophan?
Willst du den Witz nur fade mischen?
Du musst mit fetter Made fischen:
Mach dich mal an Mephisto ran!

Wenn Wir dir dreiste Lieder flüstern,
dann fühle wie der Frust erlischt.
Es blühet deine Lust erfrischt
und freudig wie der Flieder lüstern.

Sei Satanist und rauche Hasch
und spür dich alkoholisch beben!
Lass deinen Geist recht teuer fauchen.

Es soll dich diabolisch heben.
(... Doch deine Seel verhauche rasch,
damit wir sie ins Feuer tauchen. ...)


                                     Rolf-Peter Wille
                               (2005, sonettiert 2019)

                        

Eugène Delacroix:
Mephistopheles fliegt über Wittenberg, 1828















  




Totentanz




                           Totentanz


Den Greis packt das Grausen, der Ritter verzagt.
Sie zittern wie faules Gerippe.
Zwar wehrt sich verzweifelt die sittliche Magd –
der Sensenmann küsst ihre Lippe.

Doch nachts auf dem Kirchhof, da sei es gewagt
bei jauchzendem Knochengewippe.
Sie schaukeln die Schenkel. Doch wenn es getagt,
entschwindet die lustige Sippe.

Drum wandele heiter, und nur nicht geklagt!
Bald schiebt dich Freund Hein auf die Schippe.
Und wenn Dich die Zeit mit den Zähnchen benagt,
dann wirft er dich flink auf die Kippe.

Ich bin der Tod, dein A priori:
Vergiss mich nicht – Memento  mori!


                                                      Rolf-Peter Wille
                                                              (2014)
                                                                    
                                        
                                 aus der  Nürnberger Chronik von 1493











Der traurige Mönch



            Der traurige Mönch

                          (nach der Ballade
                        von Nikolaus Lenau)


In Schweden steht ein Turm, ein grauer,
von Aaren wunderlich umkreist.
Doch im Gewölbe spukt ein Geist
als stummer Mönch in tiefer Trauer.

Ein Ritter kommt im Regenschauer
mit seinem Rappen angereist.
Gar lustig tritt er ein und dreist
sucht er das Mönchlein auf der Lauer.

Er sieht ihn nachts bei hellem Licht
und wild durchzittert ihn sein Weh.
Zerrüttet zieht er morgens weiter.

Aus Sträuchern starrt das Mönchsgesicht.
Nur sterben wollen Ross und Reiter.
Der Rappe strauchelt in den See.


                                    Rolf-Peter Wille
                                            (2019)



Arnold Schoenberg: Christus, 1910













Der Untote


   
                         Der Untote


Wo Egel gierig ekle Säfte saugen –
Sieh’, welch ein süchtig klebriges Gewürm –
Verglüht im Tümpel giftiges Gestirn.
Es glimmt ein grauser Mond in Unkenaugen.

Und nachts am Sumpf im faulen Fieberschein,
In feuchten Grüften modernd klamm gefangen,
Von schimmelndem Geflechte sanft behangen,
Verweset leise käsiges Gebein.

Es muß um jenen Sumpf geduckt ein Wesen schleichen:
In dunklem Traume, der sich selbst verdaut,
Kann es sich dennoch niemals selbst entweichen.

Welch Unhold, dem es vor sich selber graut!
Und in dem Tümpel, in dem gräulich bleichen,
Da hab’ mein Spiegelbild ich nie erschaut.




                                                        Rolf-PeterWille 
                                                                (2002)


    
                        Theodor Kittelsen: Sjøtrollet, 1887









Samstag, 28. September 2019

Verdammte Strophen




                Verdammte Strophen


Vollbracht! Die Verse stehn auf dem Papiere.
Es lacht die Melodie sich durch die Stanzen;
der Rhythmus hüpft, die Prosodie will tanzen:
Vollendet sind die Strophen alle viere.

Ein Glas Champagner her! Der Mann soll feiern!
Doch Unheilvolles schwant dem armen Tropfe,
weil stets vollkommener in seinem Kopfe
die Strophen alle viere – weiterleiern.

Gern würd’ er selig schlummern, sacht vergessen.
Da sabbelt er im Wahne wie besessen
und schaurig schreckt’s ihn nachts aus wirren Träumen,

als wisperte der Satan ohne Säumen:
“Komm heeer, mein Schatzzz, zu miiir und rezitierrre
noch hhheißer deine Strooophen alle vierrre.”


                                                               Rolf-Peter Wille
                                                                      (2012)


       

       Gösta Ekman (Faust) und Emil Jannings (Mephisto)
        in Murnaus Faust, 1926


































Freitag, 27. September 2019

Der Zaubervers und Würmer der Ewigkeit

 


                    Der Zaubervers
   
Allegro  

Ein kleines Verslein nur, rasch hingeschmiert.
Das keimt, und blüht und baut sich stetig neu.
„Halt ein, du Zauberbesen! Ich bereu
den Götterfunken, der dich generiert“

Schon schwillt der Geist; poetisch imprägniert
gebiert er meiner Verse Melodei.
Diverse Blümlein sprießen durch das Heu
gezierter Reime (…hier noch unzensiert).

Wild wuchern Keime jetzt und immer dreister
schießt mir der Vers ins Kraut – rastloses Wesen
verruchter Geister: Besen, Besen, Besen!

Euch bannt sogleich der alte Meister:
   "Kühner Verse keckes Wesen – 
   in die Ecke, freche Besen!“




             Würmer der Ewigkeit

Andante

Die Würmer, Dichter, solltest du verehren.
Oh schone nicht, was sie dir scheu benagen!
Verwöhne sie mit Liedern, zart getragen,
wenn sie dein schönes Zerebrum verzehren.

Sing voller deine Verse! Nicht verwehren
darfst du Sonette einem Würmermagen:
Der soll dir Feuer aus dem Geiste schlagen,
noch heißere, noch fettere begehren.

So füttere, mein Freund, die Nimmersatten
mit deinem Hirn  sie werden stetig feister;
stirb früh dahin und schlendere als Schatten
ins Reich der schönen wurmbenagten Geister.

Erlöschen muss dein Lebenslicht.
Doch ewig strahlt es im Gedicht!



                                                     Rolf-Peter Wille

                                                             (2023)