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Sonntag, 29. September 2019

Der treue Hund




                Der treue Hund


Geh wandern, denn es ist gesund!
Spring durch den Wald! Erklimm die Klippen!
Heut schallt ein Lied von meinen Lippen,
das Lied von einem treuen Hund.

Der folgt mir munter auf den Wegen
nach oben bis zum Gipfel hin,
ob Winde durch die Wipfel ziehn,
bei Sonne, Wolken, oder Regen.

Der Gipfel naht. Schon sind wir hier.
Doch schau  da steht bereits ein andrer
auf seinem Grat! Wir sind zu dritt.

Es greift nach seinem Stock der Wandrer.
Nun ist er fort. Und auch mein Tier
lief treu mit jenem Fremden mit.


                                     Rolf-Peter Wille
                                            (2019)

                        

1940 Film nach der Novelle
von Marie von Ebner-Eschenbach









Freitag, 27. September 2019

Der Wanderer und das Irrlicht





    Der Wanderer und das Irrlicht
   
    (nach einer Fabel von August Gottlieb Meißner)


Verirrt des Nachts in finstrem Tann
sieht der Verwirrte in der Ferne
den Silberschein. “S’ist die Taverne!”
ruft froh der müde Wandersmann.

Es schimmert ihm gar wunderzart.
Er eilt zum Licht. Jedoch mit Schrecken
bleibt er im tiefen Sumpfe stecken:
Es hat ein Irrlicht ihn genarrt.

Da grollt der Mann: “Du falscher Schein,
was foppst du Schalk die Wandersleut?”
“Was schmollest?” fragt das Lichtelein.
“Darf ich nicht leuchten, wie’s mich freut?

Wer hieß dich folgen, arger Wicht?
Gefoppt hat dich dein Augenlicht!”


                                        Rolf-Peter Wille
                                                 (2012)


Arnold Boecklin: Das Irrlicht, 1882 




















frühere Version:



Verirrt des nachts in einem finstren Tann,
sieht der verwirrte Pilger in der Ferne
den silberhellen Schein. “S’ist die Taverne!”,
denkt hoffnungsfroh der müde Wandersmann.

Wie schimmert’s durch die Dunkelheit gar zart!
Der Wandrer eilt zum Licht. Jedoch mit Schrecken
sackt er in tiefen Sumpf. So bleibt er stecken
und spüret, dass ein Irrlicht ihn genarrt.

Da zürnt der Pilgersmann dem eitlen Schein:
“Was täuschst du, Irrlicht, arme Wandersleut
und lockst sie in den Schlamm, du falscher Wicht?”

“Wer hieß dich folgen?” fragt das Lichtelein.
“Darf ich nicht leuchten, wie es mich erfreut?
Getäuscht bist du vom eignen Augenlicht.”



Sequel:

Durch Dschungeldickicht kreuz und quer
irrlichtelier' ich hin und her
und meine samtig feuchte Seele
klebt schlapp schon in der trock'nen Kehle.
Kein Gläserklirren gibt's, kein Bierchen.
Doch mich umschwirren kleine Tierchen.
Vampir'sche Mücken saugen gerne
den Saft. Ich selbst bin die Taverne!







Der Wandrer und die Heiligen



Der Wandrer und die Heiligen


Was lächelt ihr versteinert auf den Pfaden,
ihr stummen Statuen der Heiligen?
Wollt ihr den Wanderer, den eiligen,
ins wunderliche Reich der Stille laden?

Ich wünschte mir, ihr heiligsten der Steine,
ihr wendetet den Blick von seinem Leiden!
Ein Wandersmann, der muss die Ruhe meiden:
Ihn juckt der Fuß, es zucken seine Beine;

es locken ihn die blauesten der Berge,
die lieblichsten und schaurigsten der Grotten,
das Schloss der Feen und die Gruft der Zwerge.

Geschmeidig sei der Geist; es spannt die Sehnen
sein junger Leib, der Schlummersucht zu spotten.
O Heilige, erregt ihm nicht sein Gähnen!


                                                 Rolf-Peter Wille

                                                          (2023) 


 

             





Der Weise auf der Brücke





             Der Weise auf der Brücke


Das Fahrrad rasch geparkt, hübsch in die Lücke!
Jetzt gönne ich sie mir, die süße Frist,
Beschau mir hier, grad wo’s am schönsten ist,
Den Tanz der Fischlein von der Hängebrücke.

Und sieh! Ein weiser Mann, der bröselt Stücke
Vom Brötchen in den Fluss  gewiss ein Christ,
Ein Heiliger; gar freilich ein Buddhist.
Der gute Mensch und  gänzlich ohne Tücke!

Und was bin ich? Ach, eine Dichterpflaume,
Voll Drang und Dreck…, gereimtem Tingeltangel!
Die Seel ersäuf ich mir in seichtem Schaume.

Wild schwillt im Wasser jetzt das Fischgerangel.
Der Weise eilt hinab. Vom Ufersaume
Zuckt plötzlich eine Rute;  seine Angel…
                             

                                                    Rolf-Peter Wille
                                                            (2015)


Georges Seurat: Angler, 1883