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Sonntag, 6. Oktober 2019

Eisbachwelle

 


                       Eisbachwelle


Reißend Wasser soll die Welle nähren:
Federnd spannt sie sich empor; und wendig
schnellen Surfer über sie, die ständig
spielend sich aus Sterben neu gebären.

Feurig springt der erste. Ob’s ihm glücke,
kalte Macht zu zwingen? Doch der Drache
ringt ihn rasend in die Flut. Ich lache;
und wir alle starren von der Brücke.

Schau, schon tanzt der zweite! Der kann fliegen;
leicht schwebt er dahin – geschmeidig; munter
spielt er mit der Welle. Wer wird siegen?

Hei…, da reißt der Eisbach ihn hinunter.
   Wilder spritzt die kalte Gischt des Drachen.
   Auf der Brücke zittern wir und lachen.


                                                                          Rolf-Peter Wille

                                                                                (2023) 
























Frühling im Neanderthal






       Frühling im Neanderthal

        Lobet den Herrn, Ihr Fossilien!


Unruhig kauert ihr in dem sibir'schen
Winter, eingekeilt in ew'gen Frost,
tief unter Knochen aus gefrorner Kost
von Bison, Auerochs und Rentierhirschen.

Zerschmelze nun, du eisige Idylle.
Vorsichtig öffnet sich die Kühlschranktür
und leise mit untrüglichem Gespür
entlockt dem Froste euch der Forscherwille.

Vorbei die Eiszeit im Neanderthal!
Erwacht, ihr Mammute, ihr Höhlenbären,
und lobet Ihn, den Herrn, der euch erweckt!

Erlöset seid ihr von des Winters Qual.
Rasch aufgetaut! Der Herr will euch verzehren.
Nähret die Flammengeister und verreckt!

                                                      
                                               Rolf-Peter Wille
                                                        (2009)


  

Höhlenmalerei


Samstag, 5. Oktober 2019

Ein Hauch von Glück


  

                  Ein Hauch von Glück

             (Dank an eine poetische Pistazienschenkerin)


Erjagen wollten sie das Glück in Querum,
im Harzgebirg, fern, auf verharschtem Schnee –
es schmolz dahin. Noch glimmt ein leises Weh
aus der Erinnerungen dunklem Serum.

Noch jagt im Traume nachts die Polizei
sie auf des Pepperstiegs vereisten Gleisen.
Erwach! Welch Truggebild verflossner Reisen
neckt einen Greis und seine Poesei?

Nun schlummern sie daheim und reichlich lange.
Man gratuliert zum Neuen Jahr der Schlange
im Inselreich, im grünen, in den Tropen.

Da weht ein Hauch der fernen Grazien
das Glück, das holde – Verse aus Europen.
Ein leiser Duft wie von Pistazien.


                                                Rolf-Peter Wille
                                                        (2013)

          

             Gustave Moreau: Europa und der Stier, ~1869 





















Anmerkung: nach einer Deutschlandreise; Querum und Pepperstieg: bei Braunschweig; "Inselreich" = Taiwan





In einem kalten Schlummer von Kristall





                    In einem kalten Schlummer von Kristall



In einem kalten Schlummer von Kristall
Erlausche ich den Klang der Pyramide
Als schwebenden Gesang.  In feinem Liede
Erzittert mir ihr Glas aus reinem Schall.

Erschauernd, tief im Puls der Melodie,
Verschmilzt mein Traum mit glitzernden Geweben,
Die sie erfüllt in polyphonem Leben
Mit klingender, sonorer Harmonie.

Und kälter wird mein Schlaf.  Im weißen Saale
Der Pyramide klirrt die Melodie
Nun immer leiser  wie vereistes Lachen.

Erstarrt, verrenkt in bleiernem Chorale,
Stöhnt eine Orgel ihre Agonie;
So fern  unendlich ferne dem Erwachen.


                                                Rolf-PeterWille
                                                             (2004)

                               

Caspar David Friedrich: Das Eismeer, 1824


















Montag, 30. September 2019

Nord




                           Nord


Im eisgen Nord an öder, starrer Stätte
stockt meine Reise, stockt der Geist, der Witz.
Stumm klebt die Zeit, ein Klumpen, auf dem Sitz
gebunden wie mit unsichtbarer Kette.

Die Spinne krabbelt winzig auf dem Eis.
Wie Stalaktiten tropfen meine Hände
auf das Parkett und sickern durch die Wände.
Tief in dem Korridore greint ein Greis.

Und aus der Diele sprießen Stalagmiten
und weinen ödes Wort, und ihren Wunden
entwinden sich, verkrümmt, die Parasiten.

Dem witzgen Geist gerinnt die weiche Rinde
zu starrer Kruste, denn er weilt gebunden.
Mein Greis verspinnt sich greinend mit dem Kinde.


                                                           Rolf-PeterWille
                                                                           (2014)